„Der Diabetes-Manager“
FAZ
Eigenverantwortung
18. Februar 2005 Kolumne
Warum bezahlen Kassen „Kuchenspritzen“?
Ein Satz wie ein Paukenschlag: „Dieser Weg aus dem Diabetes ist der einzig mögliche“. Das sagt in einem Interview mit der Zeitschrift „Lenz“ Dr. med. Stephan Martin, Leitender Oberarzt Deutsche Diabetes-Klinik, Düsseldorf. Den Weg, den Martin meint, ist die Lauber-Methode aus Messen, Essen, Laufen, den er als „sehr, sehr gut“ charakterisiert. Damit sagt laut und deutlich ein renommierter Diabetologe, daß ein medikamentenfreier Weg zur Bekämpfung des Lifestyle-Diabetes (so nenne ich den Typ-2-Diabetes) erfolgversprechend ist.
Wie richtig dieser Satz von Professor Martin ist, habe ich kürzlich in einem langen Gespräch mit Dominik Fricker in Basel erfahren. Bei dem Schweizer, der Geschäftsführer der FDP Baselland ist, wurde im vergangenen Juni ein Lifestyle-Diabetes diagnostiziert – und was für einer! Sein Langzeitwert 1c (das „Blutzuckergedächtnis“, das die letzten zwei Monate repräsentiert) lag bei strammen 12, normal sind Werte von unter 7. „Peng, das war ein Schuß vor den Bug“, sagt der heute 41jährige. „Sofort habe ich alles gelesen, was es zu dem Thema gab und fand gottseidank ihr Buch – und habe es richtig verschlungen“.
„Ein motivierender Zeigefinger ist ´Fit wie ein Diabetiker` (wo die Lauber-Methode erläutert wird) mit seiner direkten Art die Dinge anzusprechen“, so Fricker. Stolz präsentierte er das Buch seiner Ärztin und sagte, daß er den Diabetes auch ohne Medikamente in Griff kriegen möchte. „Vergessen Sie das Buch, das geht nie“, sagte die Diabetologin. Doch der Schweizer Sturschädel ließ nicht locker. Er wurde wie ich Meß-Freak, fing an mehrmals täglich den Zucker zu messen – weil er wissen wollte, was in seinem Körper vor sich geht. Und er fing an, die Ernährung völlig umzustellen, strich das geliebte Weißbier und wurde ein Fan meines „Mighty Müsli, sensationell, das hält bis Mittag vor“. Und er fing, dritter Bestandteil meiner Methode, an zu laufen, zu „seggle“, wie es so schön im Dialekt heißt.
Das Wunder geschah: Fricker konnte zuschauen, wie die Pfunde purzelten, und wie die Zuckerwerte sanken. Mißmutig registrierte die Diabetologin die Fortschritte ihres „Patienten“, der gar keiner sein wollte, sondern sich als „Aktient“ verstand: „Sie sind die absolute Ausnahme“, meinte sie, als Fricker innerhalb weniger Monate rund 30 Kilo abnahm. Schallend lachen mußte ich bei unserem Gespräch über den Satz „Sie sind die Ausnahme“. Das höre ich auch immer wieder, gerade von Ärzten. Das muß sich ändern. Die Ärzte müssen, wenigstens bei den unter 60jährigen, radikal fordern: Der medikamentöse Weg ist die Ausnahme, die eigene Aktivität ist die Regel. Genau so, wie es Professor Martin sagt.
Kuchenspritze Leider sagen das die Ärzte nicht immer so. Gerade schrieb mir eine Frau aus dem Südbadischen, die einen Schlaganfall durch einen nicht erkannten Diabetes hatte, und die auf Insulin gesetzt wurde: „Keiner wies mich auf Diät und Bewegung hin, setzen Sie sich eine Kuchenspritze, wurde mir gesagt. Dann entdeckte ich Ihr Buch und muß Ihnen sagen, daß ich jetzt nicht mehr spritze“. Einer der vielen Briefe, die meine Methode bestätigen. Und gerne würde ich einmal mit diesem Arzt und der Krankenkasse, die das bezahlt, über die „Kuchenspritze“ diskutieren. Seltsamerweise zahlen die Kassen klaglos solch teure Behandlungen, tun sich aber mit der Bezahlung der präventiven Teststreifen oft schwer.
„Die Eigenverantwortung muß einen ganz neuen Stellenwert im Gesundheitssystem erhalten“, sagt Fricker und wirbt in seiner Partei, der FDP, für seinen Weg. „Schließlich haben wir uns die Eigenverantwortung auf die Fahnen geschrieben, dann muß es gerade auch für diesen Bereich gelten“. Und er rechnet vor, was er seiner Kasse als „Aktient“ spart: „Bis auf die Teststreifen fällt nichts mehr an – und die würde ich sogar noch selbst bezahlen“. Auch bei seinen Parteikollegen hat er schon erste Änderungen durchgesetzt: Bei den Sitzungen steht immer ein Apfelteller auf dem Tisch.
Eines habe ich übrigens auch gelernt bei dem Gespräch: Zu schnell ist auch nicht gut. Weil Fricker seinen „Zucker“ schnellstmöglich weghaben wollte, setzte er seinen Körper einem wahren Abnehmstreß aus, mit der Folge, daß das „böse“ Cholesterin LDL ihm Probleme in der Galle bereitete, weil es verklumpte. Merke also: Wer seinen Körper lange mit den falschen Signalen „füttert“, muß ihn ganz langsam wieder an die richtigen gewöhnen. Bei Fricker ist der Körper inzwischen wieder im Gleichgewicht, sein Langzeitwert liegt bei beruhigenden 5,8, und das, obwohl er sich ab und an sogar wieder ein Stück Kuchen gönnt – und dann natürlich sofort mißt.
Sein Hausarzt, bei dem er jetzt wieder ist (mit der Diabetologin will er noch reden), gibt ihm ein kluges Motto mit auf den Weg: „Seien Sie Ihrem Diabetes dankbar“.
Hans Lauber, 18. Februar 2005
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