„Der Diabetes-Manager“
FAZ
„Achse des Bösen“
17. Dezember 2007 Kolumne
Frühes Insulin – später Krebs?
Was wirkt, wirkt neben. Ein eherner Grundsatz der Pharmazie, der auch für eines der wichtigsten Medikamente gilt: das Insulin. Lebenswichtig wirkt dieses Hormon, indem es die Kohlehydrate in für den Körper verwertbare Energie aufspaltet. Fehlt Insulin, wie etwa bei Typ-1-Diabetikern, dann muss es gespritzt werden, weil sonst der Betroffene quasi verhungert, da er die aufgenommene Nahrung nicht verwerten kann.
So war bis zur Entwicklung des künstlichen Insulins durch Frederick Grant Banting die Diagnose Typ-1-Diabetes eine Art Todesurteil. Insulin hat so Millionen Menschen das Leben gerettet. Anders liegt der Fall bei den Lifestyle-Diabetikern, die auch Typ-2 heißen. Sie produzieren in der Regel genügend von dem Hormon, es wirkt nur nicht mehr richtig, weil die Betroffenen beispielsweise übergewichtig sind. Die Ärzte sprechen in diesem Fall von einer „mangelnden Insulinsensitivität“. Wieder „ans Schaffen“ kann das Hormon gebracht werden, indem sich die Betroffenen bewegen, anders essen, sich beispielsweise nach der „Lauber-Methode“ verhalten. Auch zuckersenkende Medikamente können gute Dienste leisten.
Gerade bei uns erhalten Typ-2-Diabetiker aber oft sehr schnell Insulin. In „Fit wie ein Diabetiker“ sagt Professor Dr. Hans Hauner, Deutschlands führender Ernährungsmediziner, dazu: „Mich ärgert die häufig frühe übertriebene Insulinabgabe bei Typ-2-Diabetes in Deutschland. Damit tritt man in einen Teufelskreis, denn das Insulin ist ein Masthormon und bewirkt eine Erhöhung des Gewichts von bis zu zehn Kilo, womit die Wirkung des Hormons wieder aufgehoben wird“.
Dickmacher Insulin, das ist die eine wenig erwünschte Nebenwirkung. Das mächtige Insulin ist aber auch ein Wachstumshormon, das auch Tumorzellen unterstützen, also den Krebs fördern kann. Auf diesen Zusammenhang hat kürzlich eindringlich ein Kongress unter dem Titel „Insulin und Krebs“ hingewiesen, den Ernst Chantelau von der Medizinischen Universitätsklinik der Uni Düsseldorf veranstaltete. Über diesen Kongress berichtete ausführlich die FAZ und schreibt: „Es ist offenbar gesichert, dass eine chronisch erhöhte Insulinkonzentration im Blut das Risiko für Bauspeicheldrüsenkrebs erhöht. Leberkrebs, Brust- und Gebärmuttertumoren sowie Darmkrebs kommen bei Diabetikern häufiger vor“. Gar von einer „Achse des Bösen“ zwischen Insulin, Diabetes und Krebs spricht das renommierte Blatt. Auch die in den letzten Monaten kontrovers diskutierten Insulinanaloga müssen in diesem Zusammenhang wohl neu betrachtet werden.
Was folgt daraus? Natürlich bleibt Insulin das Medikament der ersten Wahl bei allen Typ-1-Diabetikern und bei vielen Typ-2ern, die zu wenig von dem Hormon produzieren. Aber gerade bei den Lifestyle-Diabetikern sollte Insulin nur eingesetzt werden, wenn alle Anstrengungen von Lifestyle-Änderungen und medikamentösen Therapien ausgeschöpft worden sind. Und wenn Insulin verabreicht wird, muss es so dosiert werden, dass immer nur genau so viel in Körper gelangt, wie gebraucht wird.
Denn: Was wirkt, wirkt neben.
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