„Der Diabetes-Manager“
FAZ
Diabetes-Tourismus
14. Mai 2008 Kolumne
Die mit der Luft tanzen
Heißa, sie haben getagt. Wieder einmal. Jüngst in München bei der Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft. Fast im Monatsrhythmus tagen permanent Tausende von Diabetologen, Pharmaabgesandten rund um den Erdball – und reden über den Diabetes: Nur einen lässt dieser weitgehend von der Pharmaindustrie bezahlte Wanderzirkus kalt: den Diabetes.
Vor allem der Lifestyle-Diabetes, den Ärzte lieber Typ 2 nennen, damit keiner auf den Gedanken kommt, dass er etwas mit dem Lebensstil zu tun hat, explodiert, droht allein in Deutschland mit bald zehn Millionen Betroffenen das Gesundheitssystem zu sprengen. Was tun? Noch eine Tagung? Ja, aber eine ganz andere. Eine bei der nicht die Ärzte das Sagen haben, sondern Unternehmer und Manager, die gesunde Mitarbeiter als geldwerten Vorteil sehen; eine Tagung, bei der Gesundheitsökonomen frei von Lobbyisten den nicht-medikamentösen Weg (etwa die Lauber-Methode) zum Königsweg erklären – und das im Verbund mit Krankenkassen, die endlich ihre Verantwortung zur Prävention ernst nehmen.
Was wirklich wirkt: 6 Maßnahmen
Wir brauchen also keine weiteren Luftnummern von Ärzten und Pharmavertretern, die um sich selber kreiseln, sondern politische Aktionen. Beispielsweise folgende sechs Punkte, die sehr schnell helfen würden, dass wenigstens der Anstieg des Diabetes gestoppt würde:
1. Einführung einer Inaktivitätssteuer. Diese endlich einmal sinnvolle Steuer hat der Düsseldorfer Diabetologe Prof. Dr. Stephan Martin (auch ein Arzt, aber einer, der in gesundheitspolitischen Dimensionen denkt) ins Spiel gebracht. Sie würde von allen erhoben, die Inaktivität fördern (und daran verdienen), wie TV- und Internetunternehmen, Computerspielproduzenten, Internetprovider. Mit dem eingenommenen Geld könnte beispielsweise finanziert werden:
2. Massiver Ausbau der Fahrradwege zu Fahrradstraßen. Mit dem Ziel, vor allem die jungen Leute zur täglichen Bewegung zu bringen. Flankierend dazu könnten die meisten Schulbusse abgeschafft werden.
3. Sport wird in den Schulen tägliches, versetzungsrelevantes Pflichtfach. Aus den halbherzigen Wandertagen werden verpflichtende Wanderwochen. Kochen und Ernährungskunde gehört von der Grundschule in den Unterricht. Soweit es geht, legen die Schulen eigene Gemüse- und Kräutergärten an.
4. Verkaufsverbot für alle Cola- und Süßgetränke an unter 18jährige. Eine Maßnahme, die ganz besonders auch für die Burger- und Dönerbuden gilt.
5. Drastische Reduktion der Frühinsulinierung. Gerade in Deutschland bekommen sehr viele frisch diagnostizierte Lifestyle-Diabetiker sehr schnell Insulin, obwohl sie ihren Stoffwechsel durch anderes Essen und Bewegung ohne Medikamente normalisieren könnten. Insulin ist aber nicht nur immens teuer, sondern auch ein Masthormon, das häufig dick macht. Übergewicht wiederum ist eine der Hauptursachen für den Lifestyle-Diabetes.
6. Kennzeichnung der Lebensmittel mit einem einfachen System, so dass vor allem praktisch alle Süßwaren mit abschreckenden roten Punkten markiert wären.
Etwas Ähnliches hat vor kurzem der mutige New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg probiert, als er die Kettengastronomen zwingen wollte, die Kalorienzahl der Gerichte zu benennen. Aber selbst dieser mächtige Mann hat nur halb Erfolg, weil viele der großen Ketten vor Gericht zogen.
Denn diese Konzerne tanzen nicht mit der Luft. Sondern sie tanzen mit dem, was die westliche Halb-Welt immer (noch) zusammenhält: Mit dem Geld.
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