„Der Diabetes-Manager“
FAZ
Die Frage aller Fragen
25. August 2009 Kolumne
Wie „krank“ ist Typ-2-Diabetes?
Wie ein biblisches Fanal klingt dieser Satz, ausgesprochen auf einem Experten-Symposium in Berlin: „Typ-2-Diabetes ist eine chronisch-progressive unheilbare Krankheit“. Wer diese Aussage des renommierten Tübinger Diabetologen Andreas Fritsche hört, kann nur eines denken: „Mein Schicksal ist besiegelt, ich bin bis ans Ende aller Tage zur Passivität verdammt“. Sicher, für viele Patienten, welche zu Professor Fritsche in die Uniklinik Tübingen kommen, trifft dieser Satz zu. Bei ihnen ist der „Zucker“ schon so fortgeschritten, dass nur starke Medikamente noch helfen, aber auch sie können das Fortschreiten der Krankheit oft kaum mildern.
Das ist die eine Seite. Die andere Seite sind aber die Millionen Typ-2-Diabetiker, die unter 65 sind, welche ihren Diabetes im Wesentlichen ihrer ungesunden Lebensweise, ihrer mangelnden Bewegung „verdanken“. Sie können sehr wohl etwas tun, selbst einen manifesten Diabetes wieder ins Stadium der absoluten Beschwerdefreiheit zurückführen – ohne dass oft noch Medikamente gebraucht werden. Wobei der „Zucker“ rasch wieder da ist, wenn wieder der alte Schlendrian einreißt, weshalb der „Lifestyle-Diabetes“ in der Tat nicht heilbar ist.
Ein Schlag ins Gesicht ist dieser Satz deshalb für viele Menschen, die aktiv versuchen, ihren Typ-2-Diabetes eigenverantwortlich zurückdrängen – und dabei über Jahre erfolgreich sind, wie ich es von mir weiß, der seit über zehn Jahren keine Medikamente mehr braucht. Und wie ich es von tausenden Menschen weiß, die es auch geschafft haben. Sie zu unterstützen, sie zu motivieren, nicht von Krankheit lieber von Chance sprechen, das muss die Aufgabe einer präventiven Medizin sein. Natürlich, es ist bequemer, schnell mal eine Pille einzuwerfen, anstatt jede Treppe zu steigen, die sich bietet. „Der Griff zum Rezeptblock darf erst erfolgen, wenn alle Möglichkeiten zur Lebensstil-Änderung erschöpft sind“, fordert Prof. Stephan Martin, Ärztlicher Direktor der Sana-Klinik Düsseldorf. Er hat recht, denn sonst wird die Diabetes-Epidemie mit schon bald zehn Millionen Betroffenen das Gesundheitssystem finanziell ruinieren.
Als ich Prof. Fritsche auf seinen Satz ansprach, relativierte er ihn sofort mit „das würde ich natürlich so drastisch nie einem Patienten sagen, aber hier ist ja ein Fachpublikum“. Zu dem Fachpublikum gehörte auch die Pharmaindustrie, welches diese Tagung organisierte. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass dort nicht auch ein Interesse daran besteht, die Änderung des Lebensstils zu fördern, schlicht auch aus dem Grund heraus, weil der überwiegend medikamentengetriebene Weg irgendwann einfach nicht mehr bezahlbar ist – und die Industrie dann von der Politik zu Preiszugeständnissen gezwungen würde.
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