„Der Diabetes-Manager“
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19. November 2006  Exklusiv-Interview
"Junk Food verursacht 5 Milliarden Euro Kosten"
Fordert Junk-Food-Steuer: Prof. Dr. Hans Hauner
Fordert Junk-Food-Steuer: Prof. Dr. Hans Hauner
Professor Dr. Hans Hauner ist einer der profiliertesten deutschen Ernährungsmediziner. Er leitet das Else-Kröner-Fresenius Zentrum an der TU München. Mit ihm sprach ich über die Kosten der Junk-Food-Epidemie
1. Warum ist Junk Food eine der wesentlichen Ursachen für die Adipositas-Explosion?
Weil Junk Food sehr fett, zuckerreich ist und auf die jeweilige Menge bezogen sehr viel Kalorien enthält. Um damit satt zu werden, bedarf es großer Mengen Nahrung, was wiederum große Kalorienmengen bedingt. Weil das Fett eingelagert wird, besteht die große Gefahr eines krankhaften Übergewichts, wovon in den USA bald jeder Dritte betroffen ist - und Junk Food hat einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung.
2. Welche Rolle spielt Junk Food bei der Ausbreitung von Typ-2-Diabetes?
Übergewicht ist der wichtigste Risikofaktor für diesen ganz stark durch den Lebensstil bedingten Diabetes - und somit fördert Junk Food zum einen indirekt den Typ-2-Diabetes. Durch den hohen Fettgehalt und den Mangel an Ballaststoffen ist Junk Food aber auch ein direktor Risikofaktor. Es geht also eine doppelte Bedrohung von dieser Nahrung aus.
3. Läßt sich diese Bedrohung auch finanziell quantifizieren?
Für Deutschland schätzen wir die Behandlungskosten für Diabetes auf rund 15 Milliarden Euro, wovon rund 12 Milliarden auf Typ-2 entfallen dürften. Und davon wiederum ließen sich zwischen 70 und 90 Prozent durch einen gesunden Lebensstil vermeiden. Allein das unvernünftige Essen mit viel Junk Food verursacht Kosten von rund 5 Milliarden Euro im Jahr.
4. In den USA nehmen derzeit wieder die Super-Size-Angebote stark zu. Ist das besonders gefährlich?
Je größer die Portionen sind, desto mehr wird gegessen. Dabei handeln die Leute durchaus ökonomisch rational, weil das Essen ja "billiger" wird. Und wir sind genetisch darauf programmiert viel zu essen, weil diese Programme noch aus Zeiten karger Nahrung stammen. Für Super-Size-Portionen sind wir aber leider fehlprogrammiert.
5. Die Anbieter sagen, die Konsumenten wollten diese Angebote. Stimmt das?
In der Lebensmittelindustrie herrscht ein mörderischer Wettbewerb. Eine Firma, die allein bewußt zusätzlich Gesundes anbietet, wie es etwa McDonald´s macht, steht auf verlorenem Posten. Es gibt ja durchaus immer mal wieder Gespräche über solche freiwilligen Einschränkungen durch die gesamte Branche. Aber oft scheinen mir das auch Alibiverantaltungen zu sein.
6. Würde eine Steuer auf Junk Food den Konsum eindämmen?
Ein solche Junk-Food-Steuer ist unbedingt zu überlegen, etwa für besonders ungünstige Lebensmittel, wie etwa Schokoriegel.
7. Ist ein solche Steuer derzeit realistisch?
Eine "Junk"-Steuer ist derzeit sicher nicht realistisch, zumal die Umsetzung große Probleme aufwerfen würde. Tatsache ist aber, dass gesundes Essen eher teurer ist, was in der Praxis eine gesundheitsförderliche Ernährung erschwert. Vielleicht ließe sich das Thema aber über eine gezielte Mehrwertsteuer regeln, die ja auch für Lebensmittel anfällt. Dies könnte ein Anreiz sein, eher auf gesündere Lebensmittel zurückzugreifen und den Konsum ungünstigerer einzuschränken.
8. Warum drohen die Krankenkassen den Junk-Food-Konsumenten nicht höhere Beiträge an?
Das kann nicht funktionieren, es ist auch nicht anzustreben, weil es in einen Überwachungsstaat führen würde. Aber sicher werden die Konsumenten in Zukunft eine größere Verantwortung für ihre Ernährung übernehmen müssen. Sie sind nicht nur die Opfer, als die sie sich gerne darstellen.
9. Kann Junk Food zum Totengräber unseres derzeitigen Gesundheitssystems werden?
In der Tat bedroht der Trend zum Junk Food unser Gesundheitssystem, nicht nur wegen dem dadurch ausgelösten Diabetes, sondern auch wegen Herz-Kreislauf-Krankheiten, bestimmten Krebsarten und Osteoperose.
10. Tragen die Medien eine Mitschuld an der Junk-Explosion?
Die Medien haben eine gewaltige Mitschuld am Trend zum Junk Food, weil sie eine ungesunde Ernährung befördern. Besonders problematisch sind über Werbung finanzierte Kinderprogramme, wo nach meiner Beobachtung mindestens jeder zweite Spot in diese Richtung geht.
Hans Lauber, München, 19. November 2006
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